ECH schaltet Preußen aus!
Der Fluch ist besiegt. Wohl als letzte deutsche Mannschaft haben nun auch die `Jungs vom Pferdeturm` einmal eine Playoffserie überstanden und sind in die nächste Runde eingezogen.
Sieben mal waren Mannschaften des ECH, der Hannover Turtles oder des KEV Hannover seit 1993 angetreten eine zweite Playoffrunde zu erreichen - doch egal, ob im Modus best-of-seven, best-of-five oder auch best-of-three, der Gegner Hannovers hatte am Ende immer das bessere Ende für sich gehabt.
Und auch 2005 hatte es um den ECH alles andere als gut gestanden. Erneut trat man lediglich als Außenseiter auf, lag gegen den klaren Favoriten Preußen Berlin nach drei Begegnungen überdies mit 1:2 zurück. Doch schon der freitägliche Heimsieg vor ausverkauftem Hause, der die Serie auf 2:2 gestellt hatte, ließ nicht wenige Hannoveraner vom Ende des Playoff-Fluchs träumen.
Heute, am 3.4.2005, gegen 18.30 Uhr Ortszeit dann die Gewißheit: dank eines hochdramatisch errungenen 3:1-Erfolges beim seit Ende Oktober 2004 daheim unbesiegten BSchC konnte der EC Hannover ein neues Kapitel seiner bewegten Geschichte aufschlagen - rund 750 mitgereiste Fans schwebten nach dem Erreichen des Playoffhalbfinales, Gegner ist ab Dienstag der ESC Dresden, im siebten Himmel.
Die Vorzeichen vor der alles entscheidenden fünften Begegnung in der Berliner Deutschlandhalle waren klar: nur ein Sieg konnte den klaren Favoriten, Vorrundenzweiten und Meisterrrundensieger der Gruppe A, die Preußen aus Berlin, noch retten, um das große Ziel, den Aufstieg in Liga 2, für welche bereits die meisten Spielerverträge für 2005/06 abgeschlossen worden waren, noch zu erreichen. Aus der best-of-five-Serie war ein echtes `Finale` geworden, die beeindruckende Siegesserie in der heimischen Deutschlandhalle ließ die Hannover Indians trotz ihres Rückenwindes vom Freitag Abend als knappen Außenseiter erscheinen, wie so oft allerdings sollte sich in einer alles entscheidenden Partie wieder einmal das Gästeteam durchsetzen.
Konnte Indianscoach G. Thomson im Vergleich zum Freitagsmatch wieder auf K. Feser bauen, der den Platz von M. Rohatsch in Reihe 2 einnahm, so standen seinem Gegenüber A. Brockmann angesichts der Personalsituation beim BSC durchaus die Sorgenfalten ins Gesicht geschrieben - es galt neben dem bereits länger ausfallenden M. Draxler auch noch Topscorer S. Matzka zu ersetzen, der sich seine Sperre durch wiederholt disziplinloses Auftreten am Pferdeturm selbst zuzuschreiben hatte. Die Sprengung des Ligatopblocks, der gefürchteten `MMM`-Reihe sollte sich im Spielverlauf als Mosaiksteinchen fürs spätere Scheitern entpuppen - der aufrückende J. Irwin konnte Matzka trotz eines Assists nie recht ersetzen.
Alles erwartete zu Beginn druckvolle Gastgeber und da ECH-Defender R. Sandrock schon nach rund einer halben Minute zum ersten Mal auf die Strafbank mußte, war die Indians-Hintermannschaft sofort gefordert. Trotz gefälligen BSC-Spiels konnte die erste Schrecksekunde allerdings überstanden werden; im Anschluß spielte sich dann erst einmal HSR Bertl in den Vordergrund, der gleich vier Zeitstrafen am Stück binnen fünfeinhalb Minuten gegen die Gastgeber verhängte, wovon mindestens zwei schlicht überzogen waren. Konnten die Hannover Indians zunächst ein 71-sekündiges 5:3-Powerplay erneut nicht zur ersehnten frühen Führung nutzen, so sollte es im zweiten Überzahlspiel mit zwei Mann mehr endlich hinter BSC-Keeper M. Suvelo einschlagen. R. Sandrock überwand den Finnen im Berliner Tor mit einem seiner gefürchteten Hammer, der Puck gelangte unter Suvelo hindurch ins Netz (10.) - der erste Powerplaytreffer im 23. Überzahlspiel in den Playoffs hatte weitere starke Indiansszenen zur Folge, doch konnten D. Switzer und P. Fregoe gute Torchancen nicht zum durchaus möglichen 0:2 verwerten. Der optisch klar dominierende ECH schien mit einer ungemein wichtigen Führung in die Drittelpause zu steuern, da fing sich ausgerechnet Hannovers Paradeblock einen schnellen 2:3-Konter ein. Ein einziges Mal war P. Fregoe, ansonsten defensiv erneut mit einer Galavorstellung, zu tief mit ins Angriffsdrittel geeilt, prompt folgte wieder einmal die sofortige Bestrafung durch den BSC, dessen erste Reihe die 3:2-Situation clever ausspielte und D. Murray in Schußposition brachte. Da R. Gaudet nicht umgehend stören konnte kam jede Hilfe zu spät, auch R. Kondelik konnte den Schlenzer des außerhalb der Bundesliga/DEL erfolgreichsten Torjägers in Deutschland seit 1991 nicht mehr parieren - das 1:1 (18.), gleichzeitig der Stand nach Abschnitt 1.
Hatte das erste Drittel wie so oft den Hannover Indians gehört, so schienen die Preußen ihrerseits erst ab 20:00 richtig im Match angekommen. In ihrer stärksten Phase bis etwa Minute 30 mußte gleich mehrmals der Treffer zum 2:1 herausspringen, doch selbst zwei Alleingänge von I. Angermann und P. Czajka, von R. Kondelik jeweils phänomenal vereitelt, brachten nicht die BSC-Führung. Weitere `Halbchancen` Berlins, das nun nach einer zehnminütigen Abkühlung für Y. Corriveau auch mit nurmehr drei Kontingentspielern überzeugen konnte, prüften Hannovers Defense auf ihre Standfestigkeit, doch insbesondere das erneut alle überragende Duo B. Bagu und D. Reiss agierte extrem abgebrüht, x-mal sprang der Puck überdies im Zweifel pro Hannover. Es war kurioserweise ein erneutes Powerplay, das die Partie für den ECH vorentscheiden sollte. Auch dieses Mal war die Überzahl optisch keineswegs ansprechend, doch der Puck lag nach einem Schnellangriff hinter M. Suvelo im Kasten zum 1:2 (36.). Was war passiert? Nachdem die Preußen sich wieder einmal problemlos der ersten Angriffswellen hatten befreien können, hatte R. Sandrock im Spielaufbau den entscheidenden Geistesblitz. Endlich einmal wurde die Scheibe nicht `blind` tief gedroschen, sondern Hannovers Kanadier fand mit einem harten Paß seinen Landsmann D. Rask an der blauen Linie, der sofort aufs BSC-Tor zustrebte, aus spitzem Winkel aber nicht schoß, sondern um den Kasten herumfuhr und den Puck maßgerecht für den heraneilenden R. Gaudet auflegte, der nurmehr einschieben mußte. Ausgerechnet Gaudet, der in den letzten zwei, drei Spielen einige für ihn völlig untypische Wackler verraten hatte, am Sonntag bis zum Treffer gar gänzlich neben sich stand. Für den so wertvollen Allrounder wäre ein serienentscheidendes Tor natürlich eine tolle Bestätigung seiner prima Saisonleistung gewesen, doch noch waren rund 24 Minuten zu spielen - immer öfter richtete sich der Blick von BSC-Spielern und -fans im Anschluß in Richtung Uhr, doch bis zur zweiten Sirene sollte es bis auf ein, zwei weitere kleinere Preußenchancen nichts mehr zu vermelden geben.
Die spannendsten 20 Spielminuten der Saison standen somit beiden Mannschaften und auch beiden Anhängerschaften bevor. Während die Spieler weiterhin Playoffeishockey par excellence mit Kampf um jeden Zentimeter Eis garnierten, überzeugten auch beide Fangruppen. Sowohl die bereits vorfeiernden Hannoveraner, als auch die unverdrossen weiter anfeuernden Preußenfans verliehen dem Schlußdrittel trotz knisternder Spannung einen hohen Geräuschpegel. Sportlich versuchte der BSC noch einmal alles, hatte noch eine letzte Powerplaychance, als B. Bagu etwa 10 Minuten vor Schluß wegen Behinderung vom Eis gestellt wurde, doch die Lücke in der brillant gestellten ECH-Abwehr wurde nicht mehr gefunden, die wenigen Reste erledigte ein erneut bärenstarker R. Kondelik. Die erfrischenden Konter, die Hannover auch fern der 50. Minute noch darbot, hätten bei konsequenterem Ausspielen schon eher ein mögliches 1:3 bringen können, so aber sah die Serie zum dritten Male einen seinen Kasten verlassenden M. Suvelo, einen nocheinmal anrennenden BSC und einen ECH, der einen 2:1-Konter auf den leeren Kasten 39 Sekunden vor Schluß mit einem Lauf ins Abseits verspielte. Da A. Brockmann aber trotz Bullys an der eigenen blauen Linie seinen Keeper weiterhin draußen ließ, sollten die ECH-Fans nur drei Sekunden später endgültig befreiend jubeln können. Der am Bullypunkt gewohnt superstarke P. Fregoe legte die Scheibe zurück auf R. Sandrock und der Kanadier traf direkt aus dem Mitteldrittel ins verwaiste BSC-Gehäuse zum alles entscheidenden 1:3-Endstand.
Fassungslosen Gesichtern der BSC-Cracks nach der Schlußsirene standen wie wild feiernde Indianer gegenüber, wieder einmal ließ der Sport nur Nuancen von unterschiedlicher Leistungsdichte in gegensätzlichen Emotionen enden. Die angesichts unsicherer Zukunft wie paralysiert erscheinenden Berliner, die im alles entscheidenden Match gerade zu Hause zu wenig Cleverness und Effizienz besassen, mußten sich einer Playofftruppe par excellence geschlagen geben, in der ausnahmslos jeder zum großen Datum 3.4.2005 beigetragen hatte. Die Helden der heutigen Mannschaft wird man noch in Jahren kennen, gleich wie die weiteren Playoffrunden auch laufen mögen. Der nächste Gegner, die Eislöwen aus Dresden, werden wie Berlin als klarer Favorit starten, doch gegen den Mannschaftsgeist des ECH und sicherlich wieder 4600 Fans am Pferdeturm werden auch die Elbflorenzer alles geben müssen...
So., 3.4.05:
BSchC Preußen - Hannover Indians
1:3
(1:1,0:1,0:1)
Tore: 0:1 (10.) Sandrock 5-3, 1:1 (18.) Murray, 1:2 (36.) Gaudet 5-4, 1:3 (60.) Sandrock 5-6.
Strfm.: BSC 16 +10 f. Corriveau - ECH 20
Zusch.: 2539
HSR: Bertl
Top(+): Gekämpft, alles gegeben, nicklig agiert, aber nach einer tollen Playoffrunde beim shake-hands mit respektvoller Umarmung und Schulterklopfen: die `Kontrahenten` Y. Corriveau und R. Kondelik benahmen sich nach Schlußpfiff vorbildlich.
Flop(-): Nicklig, hart, unfair - das Vokabular für die BSC-Spieler verblaßt angesichts der Szene, die Berlins Stadionsprecher sieben Minuten vor Schluß wohl witzig fand: das Abführen des stark blutenden M. Dahms untermalte jener geistreich mit: `Ja, er lebt noch....` - da fehlt einem auch nach einer Playoffserie noch jedes Verständnis.
GWG: R. Gaudet (36.)
Beste Akteure: D. Meyer, M. Witting - Team ECH
Spieler der Serie: Hannovers gewohnt starker Torhüter R. Kondelik, die überragenden Defender B. Bagu oder D. Reiss, Kanonier R. Sandrock, Motor des dritten Blocks P. Saggau, oder der so unscheinbar wirkende P. Fregoe, der in puncto Bullyspiel, Eiszeit, Defensivspiel, steals und Cleverness neue ECH-Masstäbe setzte? Sie alle hätten die Auszeichnung verdient, welche aber trotz allem an D. Rask gehen muß. Vorlage zum bahnbrechenden 1:0 in Spiel 2, beide Tore zum Sieg in Spiel 4 und mit einem Galalauf Spiel 5 vorentschieden - der Kanadier hatte neben simplen Scorerpunkten aber noch weit mehr zu bieten. Seine unnachahmlichen Tempoläufe mit der Scheibe, seine Wendigkeit auf Kufen, sein Forechecking gegen den sich im Spielaufbau befindlichen Gegner, welches ihm nicht selten den Puck einbrachte - dazu Eiszeiten in Unter-, Überzahl und am Ende fast jeder zweiter Wechsel bei 5:5. Mit P. Fregoe scheint sich D. Rask zu einem echten `Playoffmonster` zu entwickeln. Auch gegen Dresden?
ECH: Kondelik,(Miskovic) - Sandrock,Gaudet,Reiss,Bagu,Dahms,Berblinger -Hecker,Fregoe,Rask,Ciganovic,Switzer,Feser,Hoppe,Lingemann,Saggau,Spors,Rohatsch,Lehmann.
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